Experteninterview zum Thema "Pflichtteil Erbe" – wie hoch ist der Pflichtteil

Der Tod eines Angehörigen ist schmerzlich genug. Kommt dazu noch Streit um das Erbe, ist der Familienfrieden oftmals anhaltend gestört. Derlei Erbstreitigkeiten sind nicht im Sinne der Hinterbliebenen und schon gar nicht im Sinne des verstorbenen Angehörigen. Der Gesetzgeber hat für solche Situationen vorgesorgt und bietet mit dem Erbrecht ganz klare Vorgaben für die Aufteilung der Hinterlassenschaft.
Unser heutiger Interviewpartner Dr. Stephan Briem ist spezialisiert auf Erbrecht und beantwortet in diesem Experteninterview die wichtigsten Fragen zum Thema „Pflichtteil – Erbe“



Der Pflichtteil oder Mindestanteil ist jener Anteil am Erbe, der nach der österreichischen Rechtsordnung den Kindern und dem Ehegatten oder eigetragenen Partner jedenfalls zusteht, sofern er nicht rechtswirksam enterbt worden ist.

Zu beachten ist, dass nicht alle europäischen oder gar außereuropäischen Rechtsordnungen ein Pflichtteilsrecht kennen. Es empfiehlt sich daher, bei der Testamentserrichtung die Anwendung des österreichischen Rechts anzuordnen, wenn man daran interessiert ist, dass die Pflichtteilsberechtigten ihren Pflichtteilsanspruch erfüllt bekommen.

Was bedeutet Pflichtteilsrecht?

Das Pflichtteilsrecht stellt eine Einschränkung der Testierfreiheit dar. Im österreichischen Recht kann der über sein Vermögen letztwillig Verfügende nur über jenen Anteil seines Vermögens mittels eines Testaments oder Vermächtnisses verfügen, der nicht als Pflichtteil den gesetzlichen Erben zusteht. Sofern ein Pflichtteilsberechtigter im Testament übergangen wird, hat er dennoch den Anspruch auf den Pflichtteil.

Wer ist pflichtteilsberechtigt?

Pflichtteilsberechtigt sind nahe Angehörige. Dies sind der gesetzlichen Erbfolge entsprechend die Kinder und der Ehegatte oder der eingetragene Partner des Verstorbenen. Sofern die Kinder vor dem Erblasser verstorben sind, werden sie durch deren Kinder, sohin die Enkel des Verstorbenen, repräsentiert. Es gibt keine derartige Repräsentation des Ehegatten.

Wie hoch ist der Pflichtteil?

Der Pflichtteil entspricht der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Da der gesetzliche Erbteil des Ehegatten oder eingetragenen Partners neben Kindern des Erblassers und dessen Nachkommen 1/3 beträgt, beträgt sein Pflichtteil in diesem Fall 1/6. Der gesetzliche Erbteil der Kinder beträgt 2/3, ihr Pflichtteil sohin 1/3 des Erbes.

Sofern kein Ehegatte oder eingetragener Partner vorliegt, beträgt der gesetzliche Erbteil der Kinder 100 %, der Pflichtteil sohin ½ des Erbes. Bei drei Kindern und keinem Ehegatten beträgt somit der Pflichtteil jedes Kindes 1/6.

Wie wird der Pflichtteil berechnet?

Im Verlassenschaftsverfahren werden die Aktiva und die Passiva des Verstorbenen gegenübergestellt. Als Differenzbetrag ergibt sich der reine Nachlass. Von diesem wird anteilsmäßig der Pflichtteil berechnet.

Sofern der Verstorbene zu Lebzeiten Geschenke an Pflichtteilsberechtigte (Kinder oder Ehegatte) gemacht hat, so ist deren Wert dem reinen Nachlass hinzuzurechnen. Von dem sich so ergebenden erhöhten Betrag ist der Pflichtteil anteilsmäßig zu berechnen.

Bei der Schenkung einer Liegenschaft ist der Wert zum Zeitpunkt der Schenkung festzustellen und sodann mit dem Verbraucherpreisindex bis zum Todeszeitpunkt zu valorisieren. Ein etwaig dem Geschenkgeber eingeräumtes Wohn- oder Fruchtgenussrecht hat bei der Bewertung unberücksichtigt zu bleiben. Ein etwaig an eine andere Person eingeräumtes Wohn- oder Fruchtgenussrecht wird ab dem Todeszeitpunkt ausgehend von der statistischen Lebenserwartung als den Wert der Liegenschaft mindernd berücksichtigt.

Was ist ein Pflichtteilsschuldner?

Pflichtteilschuldner ist der Erbe. Der Anspruch auf einen Pflichtteil ist ein reiner Geldzahlungsanspruch. Dieser entsteht mit dem Tod des Verstorbenen, kann jedoch erst ein Jahr nach dem Tod des Verstorbenen gefordert werden.

Sofern der Nachlass zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs nicht ausreicht, so haften die Geschenknehmer und Vermächtnisnehmer anteilig für die Erfüllung des Pflichtteilsanspruches. Dies kann dann der Fall sein, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten größere Vermögenswerte an Pflichtteilsberechtigte verschenkt hat und in der Folge nur ein geringer Nachlass übrigbleibt.

Was sollte man bei einer Schenkung bezüglich des Pflichtteils beachten?

Eine Schenkung an eine pflichtteilsberechtigte Person verringert nicht den Pflichtteil der übrigen pflichtteilsberechtigten Personen. Diese können vielmehr nach dem Tod des Verstorbenen die Hinzurechnung der Schenkung auf den reinen Nachlass fordern. Ein Pflichtteilsberechtigter, der bereits vor dem Erbfall, also zu Lebzeiten des Verstorbenen von diesem eine Schenkung erhalten hat, muss sich diese auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen.

Was ist ein Pflichtteilsverzicht?

Von einem Pflichtteilsverzicht spricht man dann, wenn ein pflichtteilsberechtigter Erbe schon zu Lebzeiten des Erblassers auf seinen ihm gesetzlich zustehenden Pflichtteil verzichtet. Dieser Verzicht auf den Mindestanteil wird häufig bei Hausübergabe oder bei Schenkung vereinbart und bedarf eines Notariatsaktes oder einer gerichtlichen Beurkundung. Außerdem muss ein Pflichtteilsverzichtsvertrag errichtet werden.

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Unser Interviewpartner
Name: Rechtsanwalt Dr. Stephan Briem
Branche: Rechtsanwalt
Kurzinfo: Landstraße Hauptstraße 147/5, 1030 Wien Telefon: +43 1 710 82 66
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